Krisenmanagement beginnt mit Kommunikation

Geht etwas schief, muss umso mehr die Kommunikation funktionieren. Vom menschlichen Versagen des kleinen Mitarbeiters bis zur fatalen Fehleinschätzung der Führungsebene: Die Ursachen von Krisen sind vielfältig. Krisen – ob in der Wirtschaft, der Politik oder sonst wo – sind auch nicht immer vermeidbar. Niemand kann alle Faktoren, die das Potenzial zum Krisenauslöser bergen, unter Kontrolle haben. Die Krise kann sich aber zum Desaster auswachsen, wenn die Kommunikation versagt. Vom Diesel-Skandal bis Corona-Ischgl: Abstreiten und Bagatellisieren statt Transparenz und Selbstkritik sind der gerade Weg in die Verlängerung der Krise.

Es braucht vor allem gutüberlegtes und strategisches Handeln. Eine Krise kann schleichend oder plötzlich eintreten. Sie kann alle Geschäftsfelder oder einzelne betreffen. Warnsignale nicht ignorieren ist so essenziell wie das Antizipieren disruptiver Entwicklungen. Bis hin zu Worst-Case-Szenarien. Wenn sich das Gefühl breitmacht, die Ereignisse können außer Kontrolle geraten, ist konzentriertes Vorgehen unerlässlich. Dabei helfen der „Plan K“ in der Schublade und die To-Do-Liste, was nötig ist, wenn es brennt. Dieses Hand-Out soll dabei helfen, sich an einem roten Faden entlang zu arbeiten. Jede Krise ist auch eine Lernphase, deshalb sind die Reflexion und die Lehren, die man aus der Krise zieht, später umso wichtiger. Als Erfahrung für die nächste Krise.

Wann ist eine Krise eine Krise?

Sich als Unternehmen eine Krise einzugestehen, braucht zuallererst Mut und schonungslosen Realismus. Die Zeit, die jetzt auf das Unternehmen zu kommt, ist außergewöhnlich, anspruchsvoll und intensiv. Wer vor einer Krise Ablaufpläne, einen Leitfaden für den Ernstfall und Strukturen festgelegt hat, spart im Akutfall wertvolle Zeit. Folgende Punkte helfen, die erste Phase einer Krise gut zu strukturieren:

  • Wie erkennt man eine Krise? Starke Markt- und Umsatzveränderungen, Produktionskrisen, Absatzprobleme, gravierende Management- und Führungsfehler, Liquiditätskrise, plötzlicher Betriebsunfall, Krankheits- und Schadensfälle – meistens ist es offensichtlich, dass eine Krise droht oder akut wird.
  • Krise eingestehen:Sensibilisierung, dass es eine Krise gibt
  • Situationsanalyse:Was sind die objektiven und subjektiven Probleme, die sich im Moment (scheinbar) nicht lösen lassen und warum? „Blind Spots“ mit externen BeraterInnen und Anwälten identifizieren.
  • Verständigung auf gemeinsame Definition der Krise:Alle Beteiligten haben ein gemeinsames Verständnis von der aktuellen Krise, sie sprechen mit einer Stimme im koordinierten Wording.
  • Festlegung des Krisenstabs:Genaue Hierarchie, Arbeitsteilung und Aufgabenzuordnung festlegen.
  • Festlegung der Krisenmanagement-Tools:Detaillierte Kontaktlisten, Strukturplan, Arbeitspakete, Ressourcen- und Terminplan, Frequenz der Reportings festlegen, Organisation der Kommunikation, Einsatz eines Krisenmanagement-Leitfadens.
  • Verschiedene Szenarien bedenken:Wie kann sich die Krise entwickeln? Auch das Worst-Case-Szenario andenken.

Struktur einer Kommunikationsabteilung

Nicht jedes Unternehmen kann sich eine gut ausgestattete Kommunikationsabteilung leisten, doch jedes Unternehmen sollte sich bereits in Nicht-Krisen-Zeiten darauf festlegen, welche Fähigkeiten die einzelnen MitarbeiterInnen haben müssen, um ihre Rolle auch gut ausüben zu können. Diese eindeutige Rollendefinition hilft nicht nur in der Krise die richtige Kommunikation in die richtigen Kanäle zu leiten. Daher sind KommunikationsexpertInnen notwendig, die ein ganzheitliches Verständnis mitbringen, welche Formen der Kommunikation wie eingesetzt werden müssen.

Verschiedene Formen der Kommunikation:

  • Pressearbeit:Media Relations, Social Media, Sprecherfunktion
  • Public Relations und Externe Kommunikation: Kommunikation mit anderen externen Stakeholdern
  • Interne Kommunikation: Führungskräfte und MitarbeiterInnen-Kommunikation
  • Public Affairs: Kommunikation mit Politik, Verwaltung, Organisationen
  • Markt- und Markenkommunikation: Corporate Branding, CI, CD, Kampagnen, Kundenkommunikation, Employer Branding
  • Investor Relations: Finanzkommunikation, Stakeholderkommunikation

Um in der Krise gut und schnell agieren zu können, müssen vor allem die jeweiligen Verteiler (Telefonnummern, Mail-Adressen, Postanschriften, Social-Media-Accounts) laufend gewartet und aktualisiert werden. Wer welche Kanäle und Zuständigkeiten der Krisenkommunikation übernimmt, ist dabei genauso essentiell und sollte schon vor der Krise festgelegt werden - spätestens am Beginn einer Krise. Je besser die jeweiligen Kommunikations-MitarbeiterInnen aufeinander abgestimmt sind, desto besser lässt sich die Kommunikation in einer Krise auch bewerkstelligen.

Mit dem richtigen und notwendigen Team durch die Krise

Es braucht wie im Punkt 1 bereits erwähnt eine genaue Festlegung darauf, aus welchen Leuten der Krisenstab bestehen muss und welche Rolle jeder einzelne dabei einnimmt. Krise ist Chefsache! In der Krise gilt auch eine weitere goldene Regel: Kommunizieren. Daher ist es im Krisenstab und auch für das erweiterte Team wichtig, dass zuvor folgende Punkte geklärt sind:

  • Entscheidungsprozesse festlegen: Verantwortlichkeiten, wer gibt Kommunikation und Wordings frei.
  • Regelmäßiger, strukturierter Austausch über definierte Informationskette: Info-Tools siehe Punkt 1
  • Selektion und Verdichtung der Information Info-Pakete
  • Verhaltensrichtlinien definieren und kontrollieren: Rechtliche Abklärung
  • Krisenmanagement-Handbuch zur Hand nehmen, sofern vorhanden
  • Dokumentation der Krise für spätere Evaluierung

Kommunikation der Reihe nach

Wer nicht kommuniziert, überlässt anderen die Möglichkeit, die Krise und deren Auswirkungen auf das Unternehmen zu definieren. Daher müssen neben den fachtechnischen Experten auch die Kommunikationsabteilung sowie juristische Profis von Beginn an eingebunden werden. Achtung: Anwälte raten häufig zum Durchtauchen, die Medienleute zu Offenheit und Offensive. Chefs neigen leider oft aus Vorsicht den juristischen Beratern zu, das kann ins Auge gehen! Daher: Gute interne Abstimmung zwischen Medienleuten und juristischen Beratern. Hier sind wechselseitiges Vertrauen und die Akzeptanz der Kompetenz gefragt.

Entscheidend sind oft die ersten Stunden: Sie zeigen, wie ein Unternehmen mit einer Krise umgeht und ob die Kommunikation stringent und für die Empfänger nachvollziehbar ist. Die Reihung, wer wie als erster kommuniziert, bestimmt die Krise selbst. Ist etwa Gefahr in Verzug, weil es zu einem Chemieunfall gekommen ist, müssen zuerst die Behörden informiert werden. In der Regel gilt jedoch folgende Reihung und Priorisierung der Kommunikation: Intern vor extern – und das in einem extrem eng und aufeinander abgestimmten Zeitkorsett:

  • Kommunikation mit MitarbeiterInnen: Kein Mitarbeiter will zuerst aus den Medien über die Krise des Unternehmens erfahren.
  • Geschäftspartnern und Kunden: Müssen Aufträge sofort storniert werden? Müssen Produkte zurückgerufen werden?
  • Investor Relations-Kommunikation: Ist die Krise Börsenrelevant? Gibt es Berichtspflichten an Aktionäre?
  • Kommunikation mit den Behörden: Sofern Gefahr in Verzug bzw. wenn überhaupt notwendig.
  • Umgang mit JournalistInnen: In der Krise zeigt sich, wie gut die Kommunikationsabteilung oder das höhere Management in die Kontaktpflege mit relevanten JournalistInnen investiert hat. Kontakt zu „vertrauten“ JournalistInnern aufnehmen; laufende Entwicklungen zeitnah kommunizieren; persönliches Gespräch mit MedienvertreterInnen forcieren; Hintergrundgespräche organisieren; jedenfalls immer zurückrufen!
  • Kommunikation mit Medien und Monitoring: Kommunikation so gut es geht transparent halten, was wird wo über die Krise veröffentlicht, wie hält man dagegen, direkter Info-Kanal zu den wichtigsten medialen Keyplayern, gegebenenfalls kleine Social-Media-Kampagne starten, um Berichterstattung zu „kontrollieren“ oder wenigstens zu beeinflussen.
  • Priorisierung der Kommunikationswege: persönlich > per Telefon > per SMS > per E-Mail > über die Unternehmens-Internetseite oder eine externe > via Social Media (Facebook, Instagram, Twitter etc.) > Anzeigen in Zeitungen und Online-Ausgaben

Kontrolle zurückgewinnen

Mit der richtigen Kommunikation Präsenz zeigen! Die Kommunikation in der Krise dient dazu, verlorenes Vertrauen wieder-aufzubauen. Daher muss sie ruhig und sachlich sein. Die Kommunikation muss auch menschlich und nachvollziehbar rüberkommen. Wissenschaftliche Ausführungen und detailverliebtes Insiderwissen sind nicht angebracht. Stattdessen braucht es zur Vorbereitung für die erste öffentliche Kommunikation einen detaillierten Fragen-Antworten-Katalog.

Die Kommunikation in der Krise ist Chefsache, es gilt daher:

  • Die Basics der Krise kommunizieren: Was ist passiert? Wo liegen die Probleme? Wie wirkt sich die Krise aus? Nur die wichtigsten Kennzahlen und Fakten einbringen.
  • Vermittlung von Botschaften: Wir/Management haben die Krise erkannt, wir sind betroffen/bestürzt darüber, Bedauern zum Ausdruck bringen – gerade bei hohem Nachrichtenwert, gesunde Selbstkritik schadet nicht, wir haben schnell reagiert und arbeiten mit Hochdruck an einer Lösung, etc. Angloamerikanische Managementberater sagen, es sind drei Schritte notwendig, die drei R: Regret, Restitution, Reform – also Bedauern, Wiedergutmachung von Schaden und die richtigen Änderungen im Problemsegment.
  • Vermittlung von kurz- und langfristigen Maßnahmen: Was passiert jetzt, welche Schritte werden gesetzt und warum.
  • Nächste Schritte: So kommen wir aus der Krise, Etappen der Krisenbewältigung, Vorausblick.
  • Ende der Krise kommunizieren: Wir haben es geschafft, wir haben daraus gelernt, wir verbessern Abläufe.

Nach der Krise ist vor der Krise

Reflexion und Sichtung der Krisen-Dokumentation ist der wichtige Epilog zur Bewältigung. Sie zeigt, wo sich Lücken aufgetan haben und wie man in Zukunft besser vorbereitet sein kann. Ein ehrlicher und unmissverständlicher Blick auf das Krisenmanagement und seine Kommunikation ist daher unerlässlich. Daher sollten folgende Fragen im Rahmen des Krisenteams schonungslos beantwortet werden, damit auch die richtigen Konsequenzen daraus gezogen werden können:

  • Auswirkungen auf das Unternehmen: Imageschaden, Umsatzeinbußen, Produktschaden
  • Fehler eingestehen: Und dann: „Jede Krise ist eine Chance“, um es in Zukunft besser zu machen
  • Krisenfestigkeit des Managements beurteilen: Wie hat das Zusammenspiel funktioniert, wo gab es Probleme
  • Krisenhandbuch bzw. Krisenleitlinien weiterentwickeln: Wenn es schon welche gab, müssen sie gegebenenfalls adaptiert werden
  • Trainings veranlassen: Krisenkommunikation kann und soll man lernen!